„Mit mehr Zusammenhalt könnten wir mehr bewegen“
Interview mit Dr. Behvar Chamasmani (Bild), Inhaber der Bergsee-Apotheke in Bad Säckingen
Muster 16: Herr Dr. Chamasmani, Sie kamen im September 2020 als Kunde zum ARZ Darmstadt. Was hat Sie überzeugt und wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit?
Dr. Chamasmani: Ich habe Ihr Unternehmen durch Herrn Wagner kennengelernt. Zuvor hatte ich mehrere Angebote eingeholt und musste mich mit unpersönlichen Infos per E-Mail zufrieden geben. Beim ARZ Darmstadt ist die Transparenz unglaublich und die Zusammenarbeit menschlich wunderbar. Weil die persönliche Beratung für mich von hohem Wert ist, war ich beeindruckt, wie mir alle Fragen bis ins kleinste Detail beantwortet wurden. Vor allem in der damals sehr schwierigen Situation …
Muster 16: … Sie waren AvP-Kunde
Dr. Chamasmani: Ja – und ich finde es unfassbar, wie sich Menschen in Unternehmen – siehe Wirecard und Co. – riesiger Geldsummen bedienen können, die ihnen nicht gehören. Wie kann es passieren, dass auf diese Weise Millionen unbemerkt aus Konten abgeschöpft werden? Uns Apotheker trifft die Insolvenz der AvP mit doppelter Härte. Wir müssen Waren einkaufen, bis zu 75 Prozent der Beträge gehören uns zunächst nicht. Vor dem Hintergrund eines Rohertrags von maximal 10 oder 12 Prozent haben wir ein Vielfaches unserer Erträge verloren. Es ist ja auch nicht damit getan, einen Kredit aufzunehmen in einer Zeit, in der große Unsicherheit darüber herrscht, wie es weitergeht. Wir wissen noch nicht, welche Spuren Corona dauerhaft hinterlassen wird. Es ist eine schwierige Zeit, in der wir finanziell alle herausgefordert werden.
Muster 16: Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf konkret Ihre Apotheke?
Dr. Chamasmani: Wirtschaftlich verzeichnen wir einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem der OTC-Bereich ist eingebrochen. Unsere Lage in Bahnhofsnähe bedeutete, dass Reisende, Kurgäste oder Menschen beim Einkaufsbummel bei uns vorbeikamen. Das fehlt natürlich momentan völlig. Von den Kliniken in unserer unmittelbaren Umgebung sind mehrere in Insolvenz. Insgesamt hat unser Ort empfindlich gelitten.
Als Apotheker schmerzt mich allerdings am meisten, dass zu viel an Zahlen und zu wenig an die Menschen gedacht wird. So gibt es noch immer keine Behandlungsrichtlinie für Patienten mit Spätfolgen einer Covid19-Erkrankung. Patientinnen und Patienten kommen beispielsweise mit frostbeulenähnlichen Ekzemen zu uns und wir sind überfragt, was wir ihnen geben können.
Muster 16: Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern?
Dr. Chamasmani: Was ich mir wünsche, ist mehr Ethik, mehr Zusammenhalt und weniger monetäres Denken. Deutschland ist ein Land mit einem hohen Bildungsniveau, wir haben exzellente Fachleute in der Forschung und in den Heilberufen. Wir sind seit fast einem Jahr in der Pandemie. Doch während zahllose Experten Tag für Tag Inzidenzen und Statistiken diskutieren, scheinen sich nur wenige dafür verantwortlich zu fühlen, Richtlinien etwa zum Tragen von FFP2-Masken zu entwickeln. Mein Wunsch wäre, dass sich Fachleute aus Eigeninitiative stärker zusammentun. Dann könnten wir gemeinsam viel mehr bewegen.
Muster 16: Wie sehen Sie die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken?
Dr. Chamasmani: Unsere berufliche Zukunft macht mir Sorgen. Konkurrenz und Kostendruck nehmen zu. Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen fühle ich mich von der Politik in weiten Teilen im Stich gelassen.
Muster 16: Unser Titelthema in der März-Ausgabe unseres Kundenmagazins ist das E-Rezept. Hatten Sie damit schon Berührungspunkte?
Dr. Chamasmani: Ja, schon im vergangenen Jahr. Das ist auch durch unserere Lage bedingt. Wir sind nahe an der Grenze zur Schweiz gelegen, dort ist man bereits deutlich weiter mit dem E-Rezept als in Deutschland. In Sachen Digitalisierung ist unsere Apotheke gut vorbereitet. Wir haben die Telematikinfrastruktur bei uns eingerichtet, uns dabei gegen eine Kooperation mit einem Anbieter entschieden. Beim E-Rezept sehe ich noch einige Vorlaufzeit, bis es richtig reif ist. So ist z.B. noch nicht überall gesichert, dass Rezepte nur einmal eingelöst werden. Da sehe ich auch Aufklärungsbedarf für Patienten. Auch ist es so, dass wir die digitale Signatur noch nicht prüfen können. Nach mehrfacher Rücksprache mit der Landesapothekerkammer müssten wir uns momentan noch telefonisch vergewissern, ob das Rezept echt ist.
Muster 16: Stellen Sie durch die Lage im Süden und die Grenznähe zur Schweiz Unterschiede zu anderen Apotheken fest?
Dr. Chamasmani: Tatsächlich gibt es Unterschiede. Hier bei uns im Süden werden auffällig mehr Originalprodukte nachgefragt. Als ich früher im Norden tätig war, wurde öfter nach kostengünstigen Alternativen gefragt. Aber nicht nur Preisdiskussionen sind hier seltener. Interessanterweise genießt die Beratungsleistung in der Apotheke bei Patienten aus der Schweiz einen höheren Wert.
Muster 16: Was an höheren Durchschnittsgehältern liegt oder an einer Geiz-ist-geil-Mentalität hierzulande?
Dr. Chamasmani: Nun, es macht schon nachdenklich, wenn Kundinnen und Kunden mit Produkten aus dem Drogeriemarkt zu uns in die Apotheke kommen und uns fragen, ob diese gut und empfehlenswert sind.
Doch die Neigung zum Sparen ist auch erklärbar. Schauen Sie einmal, was Ihnen als allein lebende PTA oder PKA von Ihrem Gehalt übrig bleibt. Und das bei einem Beruf, der wirklich anspruchsvoll ist und bei dem man einiges mitmacht. Da braucht es mehr Gerechtigkeit, um die Mentalität zu ändern.
Muster 16: Sie appellieren auf Ihrer Apotheken-Website: „Schicken Sie Ihre Rezepte nicht nach Holland.“ Beobachten Sie diesen Trend verstärkt?“
Dr. Chamasmani: Auch hier muss ich sagen: In unserer Region seltener. Als ich noch in NRW arbeitete, kam das viel öfter vor. Dennoch sehe ich die Zukunft der Apotheke nicht rosig. Kapitalgesellschaften stehen in den Startlöchern, Ketten werden kommen.
Muster 16: Was könnten Apothekerinnen und Apotheker Ihrer Meinung nach tun?
Dr. Chamasmani: Vor allem Mensch bleiben. Vielleicht findet durch Corona ein Umdenken statt. Denn bei aller Digitalisierung fehlt vielen nun der Faktor Mensch, die Empathie. Das kann kein Bildschirm ersetzen. Das schätze ich ja auch an der Zusammenarbeit mit dem ARZ Darmstadt. Und genau so gehen wir mit unseren Patientinnen und Patienten um, unsere Philosophien sind also sehr ähnlich.
Kontakt: Michael Röhr, ARZ Darmstadt
m.roehr@arz-darmstadt.de